Hormonaktive Substanzen für viele Erkrankungen verantwortlich – was man dagegen tun kann ... 

Hormonaktive Substanzen, auch bekannt als endokrine Disruptoren (ED), finden sich überall – von Plastik und Kosmetika über Nahrung und Trinkwasser bis hin zu Alltagsgegenständen und Spielzeug. „Unsere Umwelt ist mit diesen Schadstoffen regelrecht durchtränkt", warnt Professor Dr. rer. nat. Köhrle, Experte der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). ED stellen eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit dar und können die Entwicklung und Gesundheit von Ungeborenen beeinträchtigen. Daher fordert die DGE bereits seit Jahren, die betreffenden Substanzen aus dem Verkehr zu ziehen. Auf der 6. gemeinsamen Online-Pressekonferenz der DGE und der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) am Mittwoch, den 17. Juli 2024 ab 11.00 Uhr, erläutert Köhrle, was wir alle für unsere Hormongesundheit tun können und was gesamtgesellschaftlich zu tun ist, um gefährliche Hormonstörungen zu verhindern.
 

Anmeldelink zur Pressekonferenz 
 

Die Plastikproduktion hat sich in den letzten 70 Jahren 200-fach erhöht und übertrifft mittlerweile die gesamte Masse aller tierischen Lebewesen auf unserem Planeten. „Diese Plastikwelle ist nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch eine erhebliche Gesundheitsgefahr: Hormonaktive Substanzen, die in Mikroplastik, Kosmetika und vielen anderen Produkten enthalten sind, können hormonelle Prozesse im Körper erheblich stören“, erklärt Professor Dr. rer. nat. Josef Köhrle, ehemaliger Direktor des Instituts für Experimentelle Endokrinologie an der Charité-Universitätsmedizin Berlin. „Wir beobachten beispielsweise, dass Jugendliche früher in die Pubertät kommen. Auch Übergewicht, Diabetes und Entwicklungsstörungen nehmen bei Kindern zu.“

 

Gefährliche Belastung während der Schwangerschaft

Besonders besorgniserregend ist die Belastung während der Schwangerschaft. Per- und polyfluorierte Verbindungen sowie langlebige organische Chemikalien finden sich in hohen Konzentrationen im Fruchtwasser und in der Follikelflüssigkeit der Eierstöcke. „Ungeborene Kinder baden förmlich in einem Mix aus Schadstoffen“, so Köhrle. Diese Substanzen können die Entwicklung des Fötus schwer beeinträchtigen, insbesondere die Gehirnentwicklung. Kinder von Müttern mit hoher ED-Belastung haben ein dreifach höheres Risiko für einen verzögerten Spracherwerb.

 

Auswirkungen auf die Schilddrüse und Autoimmunerkrankungen

ED wie die für die Plastikproduktion verwendeten Bisphenole (BPA) und Phthalate, die Weichmacher für Plastikprodukte, können das Schilddrüsenhormonsystem verändern, was zu ernsthaften Entwicklungsproblemen führen kann. „Eine ausreichende Versorgung mit dem für die Schilddrüsenhormonbildung lebenswichtigen Spurenelement Jod ist bereits ein globales Problem, und die zusätzliche Belastung durch EDs verschärft die Situation erheblich, weil sie die Synthese, den Transport und die Schilddrüsenhormonwirkung beeinträchtigen können", erklärt Köhrle. Zudem können diese Chemikalien das Risiko für Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto und sogar Schilddrüsentumoren erhöhen.

 

Was man für seine Hormongesundheit tun kann

Köhrle weist darauf hin, dass wir auch individuell unseren Konsum hinsichtlich bestimmter Gefahrstoffe überprüfen können und sollen. „Etwa die Hälfte der aktuellen ED-Belastung kann auf individuelles Konsumverhalten zurückgeführt werden. Jeder Mensch kann durch bewusste Produkt-Entscheidungen seinen Beitrag leisten", sagt Köhrle. Doch um die unfreiwillige Exposition zu senken, müssen Produktion und Vertrieb von identifizierten ED strikt reguliert und gestoppt werden. „Von den rund 100 000 weltweit verwendeten Chemikalien sind etwa 50 als endokrine Disruptoren klassifiziert und gehören damit zur gleichen Gefahrenklasse wie krebserregende Substanzen", warnt der Biochemiker und Hormonexperte. „Es ist an der Zeit, diese stille Bedrohung ernst zu nehmen und sofort zu handeln.“

 

Dringende Maßnahmen gefordert

Die DGE fordert ein sofortiges Handeln: „Die Belastung mit ED muss reduziert werden. Wir brauchen strengere Regulierungen und ein Verbot der Herstellung und Nutzung dieser gefährlichen Chemikalien“, betont Köhrle. Besonders für Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Kinder muss die Jodversorgung verbessert werden. Wichtig sei jedoch auch, neue chemische Substanzen auf ihre Unbedenklichkeit zu prüfen, bevor sie in großem Maßstab produziert und in Umlauf gebracht würden, so Köhrle. Insbesondere sei es nicht sinnvoll, bekannte endokrine Disruptoren durch verwandte, aber noch wenig untersuchte Verbindungen zu ersetzen.
 

Kontakt:                                                                                                      

Priv.-Doz. Dr. med. Dr. jur. Birgit Harbeck (Mediensprecherin DGE)
Apl. Professor Dr. med. Baptist Gallwitz (Pressesprecher DDG)
Stephanie Balz/Katharina Kusserow
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