Kommentar zum Referentenentwurf des BMG zum Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GSVG):Die diabetologische Versorgung multimorbider Menschen mit Diabetes in Gefahr! ...

Sehr geehrter Herr Bundesminister Lauterbach,
 

diabetesDE — Deutsche Diabetes-Hilfe vertritt die Interessen der aktuell 11 Mio. Menschen mit Diabetes (inkl. Dunkelziffer) in Deutschland. Der Landesverband NRW der DDH-M (Deutsche Diabetes-Hilfe — Menschen mit Diabetes) ist der größte Landesverband der

Diabetes-Selbsthilfe in Deutschland. Nach Durchsicht des aktuellen Referentenentwurfes des GSVG sorgen sich beide Verbände um die flächendeckende, engmaschige diabetologische Versorgung insbesondere von multimorbiden Menschen mit Diabetes.

Grundsätzlich begrüßen beide Verbände die Stärkung einer ambulanten Versorgung. Doch insbesondere bei der Diabetologie liegt die Tücke oft im Detail. Denn die Diabetologie ist ein medizinisches Fach, in dem intersektoral und interdisziplinär gearbeitet wird. Die Diabetologie ist keine Reparaturmedizin, sondern eine kontinuierliche, sich stets kümmernde „Gesprächsmedizin".

Aus diesem Grund kritisieren wir in dem Entwurf vor allem den Vorschlag, eine Jahrespauschale beim Hausarzt pro Patient einzuführen, bei gleichzeitigem Wegfall der Chronikerpauschalen/Quartalspauschalen für den Diabetologen. Denn es ist zu befürchten, dass Diabetesschwerpunktpraxen zukünftig Menschen mit Diabetes nicht mehr engmaschig betreuen können, weil es wirtschaftlich aufgrund der Beratungsintensität, die dann nicht mehr bezahlt werden soll, nicht umsetzbar ist. Zudem ist zu befürchten, dass es dann keine freie Arztwahl mehr gäbe und dass die Vergabe von Terminen bei Fachärzten nicht selten ein halbes Jahr dauern würde.

Aus Patientensicht interpretieren wir den Gesetzesentwurf daher wie folgt:

Bisher wird in der „Chronikerpauschale" der zeitliche Aufwand des Arztes abgebildet, der sich um den Menschen mit Diabetes kümmert und die strukturierte Versorgung wie vom DMP vorgegeben organisiert. Jetzt wird der Organisationsaufwand zusammengefasst, der Patient „muss" nur noch einmal im Jahr zu einem Arztgespräch in die Praxis kommen, damit seine Folgeverordnungen dann ohne weiteren Kontakt fortgesetzt werden.
 

  • Bisher war die notwendige Folgeverordnung mindestens einmal im Vierteljahr ein Aufhänger für den persönlichen Kontakt mit dem Patienten. Somit ergab sich quasi automatisch die Gelegenheit, einen HB1c zu bestimmen, die Blutzuckerwerte anzusehen, auf potenziell schlechtere Nierenwerte zu achten oder ein beginnendes diabetisches Fußsyndrom zu identifizieren. Eine engmaschige Intervention war somit möglich, wenn der Mensch mit Diabetes — z.B. in einer schwierigen oder stressigen Lebensphase — sich nicht ausreichend um seine chronische Erkrankung kümmern konnte. Dieser rettende Anker, der auch das Risiko von Folgeerkrankungen deutlich reduziert, würde mit der geplanten Regelung zukünftig wegfallen!
     
  • Wenn die aktuelle Therapie nur einmal im Jahr auf den Prüfstand kommt, weil ein persönlicher Patientenkontakt öfter nicht als erforderlich angesehen wird, dauert es deutlich länger, bis wissenschaftlicher Fortschritt beim Patient ankommen kann. Außerdem steigt hierdurch auch die Gefahr, dass Nebenwirkungen unentdeckt bleiben.
     
  • Gerade in strukturschwachen Gebieten ist der Patient oft darauf angewiesen, die Hausarztpraxis danach auszuwählen, dass diese in räumlicher Nähe zum Wohnort liegt, damit sie bei Bedarf gut erreichbar ist. Somit kann er nicht einfach die Diabetologische Schwerpunktpraxis als „Haupthausarzt" wählen, da die Wege oft viel zu weit sind.
     
  • Sollten durch die Einführung der Jahrespauschale bzw. Wegfall der Chronikerpauschale vermehrt diabetologische Schwerpunktpraxen schließen, wären hiervor auch Schwangere betroffen, die einen auffälligen Kurztest beim Gynäkologen erhalten haben. Den bisherigen Bestätigungstest qualitätsgesichert mit drei venösen Blutentnahmen und Aufenthalt über drei Stunden in der Praxis und die zeitnahe Schulung bei festgestelltem Gestationsdiabetes haben bislang die Schwerpunktpraxen übernommen.
     
  • Genauso kritisch sähe eine Schließung der diabetologischen Schwerpunktpraxen für Menschen mit Typ-l -Diabetes aus, die Unterstützung bei der Pumpentherapie brauchen. Eine reine Hausarztpraxis kann dies nicht leisten.


Wir bitten im Sinne der diabetologisch notwendigen qualitätsgesicherten Versorgung der Menschen mit Diabetes dringend um Berücksichtigung unserer Argumente.

Lassen Sie die Menschen mit Diabetes nicht im Regen stehen!
 

Mit freundlichen Grüßen

diabetesDE (der Vorstand)         DDH-M NRW e. V. (der Vorstand)


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diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe
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