Bis zur Sommerpause möchte Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorlegen. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) begrüßt diese Initiative, allerdings greife ein selektives Maßnahmenpaket zu kurz. In einer Stellungnahme1 weist die DDG darauf hin, dass bereits andere Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Adipositas Vorläufer von Herzerkrankungen sein können. Nur ein umfassender „health in all policies“-Ansatz könne auf eine ganzheitliche Präventionsstrategie einzahlen – die das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen reduziert und letztlich eine konsequente Fortführung im Sinne der bisherigen Nationalen Diabetesstrategie (NDS) wäre.
Im Impulspapier des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) im Oktober 2023 war zu lesen, dass für ein mögliches Präventionsgesetz gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen 4 Handlungsfelder geplant sind: die Verbesserung der Früherkennung bei Kindern und Jugendlichen sowie bei Erwachsenen, die Erweiterung von Disease-Management-Programmen (DMP) und die Reduzierung des Nikotinkonsums. „Diese Punkte können wir so unterschreiben und begrüßen es ausdrücklich, dass Gesundheitsprävention wieder auf die politische Agenda gesetzt wird. Wir setzen große Hoffnung darauf, dass das BMG geeignete Strukturen und die Finanzierung schafft, um den Vormarsch von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, das damit verbundene Leid für die Betroffenen sowie die daraus entstehenden Kosten für das Gesundheitswesen zu verringern“, betont Professor Dr. med. Baptist Gallwitz, Mediensprecher der DDG.
Noch vor dem Herz erkranken oft andere Organe
Kardiovaskuläre Erkrankungen entstehen meist aufgrund eines schlechten Lebensstils wie ungesunde Ernährung, Bewegungsarmut, Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum. „Es ist seit mehr als 20 Jahren bekannt, dass die oben genannten Lebensstilfaktoren, schon bevor sie zu kardiovaskulären Erkrankungen führen, weitere Krankheiten, wie vor allem Typ-2-Diabetes und damit verbundene Erkrankungen wie Fettleber, obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom, chronische Nierenerkrankung (CKD) sowie neurodegenerative Erkrankungen auslösen können“, erklärt Professor Dr. med. Andreas Fritsche, Präsident der DDG. Aktuelle Forschungsergebnisse bestätigen sogar, dass Diabetes mellitus als Treiber von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gilt. Bis zu drei Viertel der Diabetespatientinnen und -patienten sterben an Herzinfarkt und Schlaganfällen. Das Risiko von Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes für kardiovaskuläre Erkrankungen ist 2- bis 4-fach erhöht, bei Frauen sogar um das Sechsfache.
Gesamtkonzept für Prävention gegen Volkskrankheiten schaffen
Das geplante Präventionsgesetz sei daher zu kurz gesprungen, moniert die DDG. „Wir würden uns wünschen, dass das BMG Volkskrankheiten als ein Zusammenspiel versteht und die geplanten Präventionsmaßnahmen nicht isoliert auf das Herz bezieht. Keine chronische Erkrankung kann für sich stehen, weshalb wir für die Nationale Diabetesstrategie seinerzeit ganzheitliche Präventionsmaßnahmen gefordert hatten, die auch anderen Volkserkrankungen vorbeugen. Dazu gehören vor allem die Förderung von täglichen Bewegungszielen in Kitas und Schulen, die Einführung einer Zucker- und Fettsteuer sowie verbindlicher Qualitätsstandards für die Verpflegung in Kitas und Schulen und mehr Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung2“, so Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG und Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbarer Krankheiten (DANK). „Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO und DANK fordern für nichtübertragbare Erkrankungen einen übergreifenden `health in all policies´-Ansatz, der sich in dem vorgelegten Impulspapier und der aktuellen Kommunikation des BMG leider nicht wiederfindet.“ In einem Gesamtkonzept, das die größten Volkskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Bluthochdruck und Adipositas im Blick hat, könnten Ressourcen gebündelt, sinnvoll eingesetzt und die Prävention so wirksamer umgesetzt werden.
Die DDG appelliert daher an die Politik, längst fällige Schritte der Nationalen Diabetesstrategie (NDS) nun umzusetzen. „Seit der Verabschiedung im Sommer 2020 schlummert die NDS in der Schublade der vergessenen Vorhaben und wartet auf eine Überführung in einen Nationalen Rahmenplan“, so Gallwitz. „Es ist unverständlich, warum das BMG nun mit einem neuen Präventionsgesetz um die Ecke kommt, nicht aber bereits gestartete Vorhaben konkretisiert.“
Europawahlen 2024 – für mehr grenzenlose Prävention!
Anlässlich der anstehenden Europawahlen im Juni 2024 weist die DDG darauf hin, dass Diabetes vor Landesgrenzen keinen Halt macht. Derzeit leben in der EU etwa 31,6 Millionen Menschen mit Diabetes – das entspricht der Summe der Bevölkerungen der Niederlande, Portugals und Kroatiens. Prognosen deuten darauf hin, dass bis zum Jahr 2030 die Zahl der Menschen mit Diabetes in der EU bei circa 33,2 Millionen liegen wird. „Das bedeutet nicht nur eine deutliche Zunahme der derzeit bereits fast 700 000 Todesfälle aufgrund von Diabetes oder seiner Folgeerkrankungen. Es führt auch zu einem gewaltigen Anstieg der bereits im Jahr 2021 mit 104 Milliarden Euro bezifferten Gesundheitskosten, die ein Diabetes mellitus in der EU verursacht“, bilanziert Fritsche. In Anbetracht dieser dramatischen Zahlen sei die EU angehalten, im Interesse seiner Bevölkerung und der Zukunftsfähigkeit der nationalen Gesundheitssysteme, dringend mehr in Präventionsmaßnahmen gegen Volkskrankheiten wie Diabetes zu investieren. „Auch hier könnte eine umgesetzte Nationale Diabetesstrategie ein gutes Vorbild für eine europäische Diabetesstrategie sein. Denn ihre verhältnispräventiven, wie verhaltenspräventiven Ansätze schaffen Synergien mit einem nachweislich guten Effekt“, so Gallwitz.
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